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Tag 6: 🚅 Warschau – Vilnius

Heute klingelt der Wecker mal schon um kurz nach 6 Uhr. Also aufstehen, alles wieder in den Koffer packen, was erstaunlich gut geht (oder liegt noch irgendwas großes hier rum?) und gut frühstücken. Denn gleich darf ich am frühen Morgen um kurz vor 8 Uhr in Warschau am immer noch – oder immer wieder – beeindruckenden Bahnhof Warszawa Centralna einen besonderen Zug besteigen – ein weiteres schon lange geplantes Kapitel im Reiseabenteuer!

Mitten im besten Berufsverkehr mache ich mich also ein letztes Mal auf den Weg mit der Straßenbahn zum Bahnhof Warszawa Centralna. Die Stadt ist schon lange erwacht und der Verkehr pulsiert durch die großen Straßen. Da die Straßenbahn hier in der Innenstadt überall ein eigenes Gleisbett hat, behindert das überhaupt nicht.

Eine Straßenbahn nach der anderen im dichten Berufsverkehr am Morgen in Warschau

Netterweise kommt ein neuer Niederflurwagen und ich muss den Koffer nicht die hohen Stufen der alten Wagen hoch wuchten. Die Straßenbahn ist gut geheizt – als wenn es draußen Minusgrade hat und in Wirklichkeit auch nur 5° sind. Man gewöhnt sich schnell ans Wetter ☀️⛅️

Heute liegen 571 km vor mir. Los geht’s von Warschau aus mit dem polnischen Intercity zunächst bis nach Mockava in Litauen. Ein Ort, den man vermutlich nur kennt, wenn man entweder dort wohnt – oder gerade versucht, die polnische Normalspur gegen die litauische Breitspur zu tauschen. Aktuell wird der Zug online pünktlich angezeigt und mit den im Fahrplan vorhandenen Reserven muss ich mir um den Anschluss in Mockava sowieso keine Gedanken machen.

Anzeige in der Bahnhofshalle mit meinem IC 144 nach Mockava „HAŃCZA“

Der Intercity wird am Bahnsteig nicht angezeigt, da dort noch ein anderer, verspäteter Zug steht. Dafür gibt es hier digitale Wagenstandanzeiger. Das ist sicher auch für Menschen ohne App und Handy gut verständlich. Wir haben dann übrigens ein paar Kurswagen, die wir irgendwo abkuppeln.

Digitaler Wagenstandanzeiger am Bahnsteig 2

Und natürlich fährt mein ankommender Zug auf einem anderen Gleis ein – aber wenigstens am gleichen Bahnsteig. An allen Abfahrttafeln wird auch sowieso nur der Bahnsteig angezeigt.

Mein Zug kommt mit +1 pünktlich an – obwohl der schon seit 4 Stunden aus Krakau nach Warschau unterwegs war – und fährt auch mit +2 pünktlich wieder ab.

Der etwas in die Jahre gekommene Intercity Wagen hat den Vorteil von viel Platz in der Sitzreihe und wirklich sehr gemütlichen Sitzen, die eindeutig für die Langstrecke in der Bahn gemacht sind. Bei fast sieben Stunden auf diesem Platz ist das hervorragend. Aufgrund seines Alters hat man offensichtlich dann auch auf den Einbau von WLAN verzichtet. Der Zug ist übrigens aktuell der einzige durchgehende Zug von Warschau nach Mockava (in den Durchsagen klingt das wie „Motz-Kawa“). Beachtlich ist, dass selbst bei einer oder zwei Minuten Verspätung bereits eine Durchsage mit einer Entschuldigung kommt.

Gebucht habe ich mein Ticket bei der Litauischen Bahn LTG Link. Das war deutlich einfacher, da die LTG Link viel Werbung für die Gesamtverbindung zwischen Warschau und Tallinn macht.

Während wird durch die verregnete polnische Landschaft immer weiter in Richtung Nordosten fahren kann ich gut die Fahrt genießen und ein wenig abschalten.

Die regennasse Landschaft zieht vorbei

Nach 1¾ Stunden haben wir Bialystok erreicht. Das ist etwa die Hälfte der Strecke. Da fragt man sich, wie langsam es wohl weitergeht, wenn wir noch 4½ Stunden unterwegs sind. Eine Aufklärung erfolgt gerade: Wir stehen hier erstmal für eine halbe Stunde, bis es weitergeht. Offensichtlich werden gerade unsere Kurswagen abgehängt mit anschließender Bremsprobe. Da bleibt Zeit für ein Foto oder zwei auf dem Bahnsteig.

Pünktlich schließt der Zug seine Türen und weiter geht’s – jetzt mit Diesel statt E-Lok. Der Fahrplan enthüllt, dass wir in Suwalki ebenfalls wieder eine halbe Stunde am Bahnsteig stehen werden. Die Gelegenheit nochmal auszusteigen und sich eine Nase voll frische Luft zu holen während die Lok ans andere Ende des Zuges wechselt. Die Bremsprobe folgt wieder mit großer Sorgfalt. Sieht man gern. Die alten Wagen haben auch tatsächlich noch Klotzbremsen.

Wir halten in Trasziki, einem letzten, etwas trostlosen Bahnhof vor der Grenze. Ob hier jemals richtig was los war? Zumindest nicht, seit keine Grenzkontrollen mehr stattfinden – davon zeugen noch uralte Metallgitterzäune, die jetzt nutzlos in der Gegend stehen. Immerhin vier Bahnhofsgleise zeugen von einer anderen Zeit.

Wenig los am Bahnhof von Trasziki

Seit Suwalki hat das regelmäßige Klack-Klack der nicht verschweißten Schienenstösse die eher beschauliche Reise bei 40, 60 und 70 km/h untermalt. Nach der Abfahrt in Trasziki sind wir nach wenigen Minuten über die Grenze nach Litauen gefahren und siehe da: Top Oberbau und wir gleiten wieder leise und mit 100 km/h vergleichsweise schnell dahin. Wenige Minuten später sind wir schon in Mockava – ich dache, das dauet noch eine Stunde, hatte aber die Zeitumstellung nicht bedacht – hier sind wir jetzt in litauischer Zeitzone – also +1 Stunde gegenüber Deutschland und Polen.

Erster Bahnhof in Litauen

In Mockava heißt es dann umsteigen. Vom polnischen PKP Intercity (auf den gewohnten 1435 mm) in den litauischen LTG LINK-Zug, der es sich dann auf den stolzen 1520 mm Breitspur gemütlich macht. Es ist ein bisschen, als würde man zwischen zwei Welten pendeln – nur dass beide in die selbe Richtung fahren. Der Bahnsteig füllt sich nach und nach mit den Leuten aus dem Intercity, die alle in den deutlich kleiner wirkenden Triebwagen nach Vilnius umsteigen wollen. Aber so ein Breitspur Triebwagen ist extrem geräumig und es wird nicht mal ansatzweise voll.

Der litauische Zug, der uns nach Vilnius bringt

Zum ersten mal auf Breitspur unterwegs ist ein nicht unerheblich größeres Platzangebot. Natürlich gibt es auch hier Steckdosen an den Sitzplätzen. Direkt nach der Abfahrt kommt die Fahrkartenkontrolle und zwei Minuten später kommt ein Service Mitarbeiter mit Speisekarten, um die Bestellung für das Mittagessen aufzunehmen. Und kaum habe ich das hier aufgeschrieben, ist er auch schon wieder da mit der Bestellung 😊

Die Litauische Landschaft – sehr ähnlich der polnischen Landschaft, die ich unterwegs gesehen habe.

Jetzt noch zwei Stunden Fahrt nach Vilnius genießen und schon kann die nächste Stadt erkundet werden. Ich denke, es läuft auf ein leckeres Craft Bier aus Litauens Hauptstadt hinaus (es wurde dann später ein Švyturys Ekstra im Bazilijonai – gutes litauisches Lager Bier).

In Kaunas steigen die Berufspendler, Schüler und Studenten zu und der Zug wird ein klein wenig voller. Bis weit über den Bahnhof Kaunas hinaus begleiten uns parallel laufende Gleise in Normalspur – zumindest theoretisch könnte der polnische Intercity also auch bis nach Kaunas fahren. Könnte sein, das das letztes Jahr der Fall war, als Kaunas Kulturhauptstadt Europas war.

Am Bahnsteig in Kaunas steht ein Schild „Berlin 1066 km“, natürlich auch solche mit Amsterdam, London, New York usw. 🙂🪧

Hinter mir liegen auf dieser Reise jetzt schon 1.786,1 km. Davon heute ein knappes Drittel 571 km. Mit insgesamt 11 Zügen in drei Ländern. Ohne Stress sehr entspannt unterwegs 🚆✨


Bis die Rail Baltica eines Tages fertig ist und man mit einem schicken Hochgeschwindigkeitszug elegant von Warschau oder sogar von Berlin über Kaunas/Vilnius und Riga bis nach Tallinn oder gar Helsinki rauscht, wird’s wohl noch ein paar Jährchen dauern. Aber bis dahin bleibt jede Fahrt über diese etwas ungewöhnliche Strecke ein kleines Abenteuer – und wer braucht schon Hochgeschwindigkeit, wenn man beim Blick in die vorbeiziehende Herbstlandschaft noch so schön träumen kann? 🍁🍂🚆✨


Fahrplan

In der LTG Link App buchenWarszawa Centralnaab07:55IC 144 „HAŃCZA“Bahnsteig 2, Gleis 3, Wagen 1, Platz 41
 Mockavaan14:35 
  ab15:11R 202
 Vilniusan17:29 

Fahrplan und Tickets auf der LTG Link Seite

Reiseroute

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